Die Kulturwertmark – erklärt durch den Chaos Computer Club

Die Kulturwertmark – ein Konzept des Chaos Computer Clubs im Gespräch mit den beiden Sprechern Constanze Kurz und Frank Rieger.

Sie haben Anfang der dieser Woche ein neues Konzept der Vergütung und Verwertung von Kulturgütern vorgestellt. Bitte fassen Sie das Konzept so kurz wie möglich zusammen.

Frank Rieger

Im Kern ist es eine Weiterentwicklung der Kulturflatrate, die ja bisher immer daran krankt, dass man irgendwie entscheiden muss, welcher Künstler dann wie viel Geld bekommt. Und wir erweitern dieses Konzept darum, dass wir eine elektronische Micro-Payment-Währung einführen. Man bekommt dann für das, was man in die Kulturflatrate einzahlt, in Form einer elektronischen Micro-Payment-Währung zurück und kann sie dann an einen Künstler seiner Wahl vergeben und als Ausgleich dafür, dass eben dadurch ein quasi garantierter Markt für Kunst und Kultur entsteht, mit einem garantierten Mindestumsatz wollen wir eine drastische Änderung an den Urheberrechtsbestimmungen dahingehend, dass es halt einen einfacheren Zugang von Nutzern zu Werken gibt und Kriminalisierung von Filesharing aufhört. Und am Ende ist noch ein Bestandteil des Konzepts, dass Werke, die in diesem System eingestellt werden, nach einer Weile in die digitale Allmende wandern, das heißt von jedem nichtkommerziell genutzt werden können.

Sie haben die Kulturflatrate angesprochen. Die ist bis heute nicht Realität geworden, nicht mal in die Nähe der Realität gerückt. Welches sind Ihre Hauptkritikpunkte an dem derzeit bestehenden System.

Constanze Kurz

Ich glaube, es gibt schon Ähnlichkeiten vom Konzept. Nämlich dass man sich sagt, wir brauchen neuen Idee für die digitale Zeit. Und wir müssen natürlich auch zusammen verhindern, dass diese weitere Kriminalisierung von Filesharern so fortgesetzt wird. Und gleichzeitig wollen wir die digitale Allmende vergrößern. Ich glaube, das sind auch Konzepte, die zur Kulturflatrate dazugehören. Insofern sehen wir diese von uns Kulturwertmark genannte Idee auch als eine Art von Weiterentwicklung. Aber wir sehen halt, dass die Debatte um das sogenannte geistige Eigentum und auch um die Gesetztgebung, die Urheberrechtsgesetzgebung jetzt seit fünf, sehcs Jahren auf der Stelle tritt. Und ein ganz wichtiger Punkt war uns, dass derjenige, der Kunst, Musik und so weiter konsumiert, selber entscheiden kann, wem er sein Wohlwollen und damit auch sein Geld gibt. Und das scheint uns eine wichtige Komponente.

Sie haben gerade erwähnt vor allem Musik und Filme. Welche kulturellen Güter hatten Sie denn bei der Entwicklung des Konzepts im Auge? Nur die digitale oder auch die analoge Welt?

Frank Rieger

Wir haben versucht, das Konzept mit möglichst vielen Schaffenden und Kreativen durchzudenken. Dass man möglichst weitgehend alles mit aufnehmen kann, also auch eben bis zu Malerei, zu Bildhauerei. Wo es dann natürlich das Problem gibt, dass man sowohl das digitale Abbild des Werks hat, was relativ unproblematisch zu archivieren und zugänglich zu machen ist. Aber das physische Abbild kann man zum Beispiel in einen Museumspool geben, wenn es dann in die Allmende geht. Das heißt, dass es dann einfach in die Museen kommt. Das einzige, wo wir ernsthafte Probleme hatten es abzubilden, sind Inhalte, die schnell verfallen. Also so was wie Nachrichten. Journalismus. Da ist möglicherweise der einzige Ausweg so etwas ähnliches wie ein Abonnement mit Hilfe dieser Kulturwertmark zu realisieren, so dass man halt für wiederkehrende Inhalte oder halt für zum Beispiel Reportagen oder ähnliche Sachen halt entweder im Voraus spendet oder zahlt oder eben wiederkehrend. Ansonsten haben wir eigentlich keine Werke gefunden, die sich nicht in dieses Modell integrieren ließen.

Wie würde der Prozess ablaufen?

Constanze Kurz

Wenn man sich jetzt als tatsächlicher Benutzer vorstellt, dann wird es ein ähnliches praktisches Vorgehen am Rechner sein, wie man es heute beim Service Flattr kennt. Flattr erfreut sich ja in Deutschland einiger Beliebtheit. Das heißt man kann mit einem Klick vergeben seine Kunstwertmark. Wenn man also sagt, hier dieser Künstler, dieses Musikstück oder natürlich auch ein Text gefällt mir, dann kann man es sofort mit einem Klick klar machen. Der Unterschied ist eigentlich nur, dass wir auf lange Sicht natürlich wollen, dass jeder, nicht nur der möchte, Mitglied bei der Kulturwertmark wird. Also anders als Flattr. Denn im Hintergrund des Konzeptes läuft ja noch die Idee, dass wir die Archivierung, auch die langfristige Archivierung von digitalen Gütern möglichst voranbringen wollen. Deshalb ist uns ja wichtig, dass eben die digitale Allemende erweitert wird und dass die Formate, in denen diese Werke hinterlegt werden, frei sind von DRM, also Digital Rights Management Systemen. So dass sie eben auch für die Zukunft besser archivierbar sind.

Und wie geht der technisch unbedarfte Anwender damit um?

Constanze Kurz

Für die Benutzer soll es halt möglichst einfach sein. Das heißt, die Summe. Er kann einfach über seinen Internetanschluss, seinen Provider abgebucht werden und er kann die Kunstwertmark einfach vergeben in dem er klickt auf den jeweiligen Webseiten oder aber auch in den Filesharingtools wo er sich die Werke runterlädt.

Flattr ist ja eher in der Netz-Community aber weniger in der nicht so Internet-affinen Welt angekommen. Wie wollen Sie es schaffen, die Allgemeinheit für dieses neue Modell zu begeistern?

Frank Rieger

Es gibt natürlich verschiedene Ansätze dabei. Einer wäre zum Beispiel auch ein physisches Abbild der Kunstwertmark beziehungsweise der Kulturwertmark zu schaffen. Das heißt zum Beispiel in Form einer Chipkarte, auf der man die Speichern kann, so dass man zum Beispiel auch Straßenkünstlern was davon geben kann. Dann es halt auszubauen zu einer richtigen Kultur-Parallel-Währung. Das würde sicherlich dabei helfen, mehr Leute dazu rein zu bekommen. Die andere Sache ist natürlich, wenn man sich anguckt, wie Systeme wie Paypal benutzt werden. Jeder der Ebay benutzt, benutzt de facto Paypal. Also eine verschwindend geringe Anzahl tut es nicht. Das heißt also die Hürde solche digitalen Paymentsysteme zu benutzen, wenn sie nur einfach genug sind, ist schon sehr gering. Und zumindest bei allen Internetnutzern ist das akzeptiert und angekommen. Und natürlich gibt es da Herausforderungen was irgendwie Gestaltung des User-Interface und niedrige Schwelligkeit und Sicherheit natürlich angeht. Aber die Technologie von digitalem Micropayment ist mittlerweile ziemlich gut abgehangen. Die Patente dafür sind mittlerweile ausgelaufen, also sie sind halt so alt, dass mittlerweile die Patente darauf ausgelaufen sind. Was die Idee auch so charmant macht, eben diese Technologie einfach mal zu verwenden, die halt nach den Anschlägen vom 11. September 2001 ziemlich in der Versenkung verschwunden ist, weil die Banken halt keine Lust mehr darauf hatten, wegen eben der Geldwäscheproblematik, die sich aber bei so einem Mini-Betrag-System wie es für die Kulturwertmark vorgesehen ist halt nicht stellt. Und in so fern denken wir, dass es auf der technischen Ebene relativ unproblematisch ist hinzubekommen. Wir wollen die Implementierung gerne als Open Source realisieren, so dass andere Länder es nutzen können. Es also recycelt werden kann. Und dass auch jeder reingucken kann, dass man also Vertrauen aufbauen kann in die Sicherheit des Systems eben dadurch, dass man sagt, wir haben hier keine Geheimnisse, jeder kann reingucken. Die Sicherheit ist für jeden verstehbar und zugänglich zu machen oder er muss halt jemandem vertrauen, der den Source Code lesen kann.

Bei Thema Sicherheit – wie wollen Sie sicherstellen, dass keiner der Nutzer getrackt wird. Niemand durch Klicken oder Konsumieren seine persönlichen Vorlieben preisgibt? Es gibt doch sicher einige Branchen, die auf diese Datensätze sehr scharf wären?

Constanze Kurz

Es ist zum Einen natürlich ein altes Problem, was sich ja bei der Kulturflatrate ja in gleicher Weise gestellt hat. Wie stellt man also sicher, dass nicht der Einzelne in seinem Verhalten eben aufgezeichnet wird. Zunächst mal klar ist, dass der Geschmack der Massen natürlich am Ende bei diesem System erkennbar sein wird. Denn die Stiftung, die wir uns ja wünschen und das Exekutivgremium dieser Stiftung und das relativ paritätisch zusammengesetzt werden soll, wird da schon ein Ergebnis bekommen über die Vorlieben der Benutzer. Wichtig ist uns an dem System natürlich nur, dass es nicht auf den Einzelnen zurückführbar ist, sondern dass es natürlich nur Gesamtergebnis klar ist.

Frank Rieger

Es wird technisch dadurch sichergestellt, dass wir eben diese elektronische Micro-Payment-Währung benutzen, die nicht funktioniert wie Paypal, wo es halt ein Konto gibt, von dem abgebucht wird, sondern das kann man sich so vorstellen wie digitale Cent-Stücke. Also Micro-Coins. Die sind kryptographisch signiert und dann gibt es relativ clevere kryptographische Verfahren, mit denen sichergestellt wird, dass man die nicht ohne weiteres kopieren kann und nicht mehrfach ausgeben kann und trotzdem nicht ohne weiteres zurückzuverfolgen ist, wer diese Micocoins ausgegeben hat. Also das kryptographische Design sieht so aus, dass man im Missbrauchsfall, wenn die Bank, in diesem Fall also die Stiftung, und der Künstler zusammenarbeiten, der es empfangen hat, dann könnten sie mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit herausbekommen, wer diesen Micro-Coin ausgegeben hat. Aber nicht, wenn einer von beiden sagt, er will das nicht. und man kann das System so erweitern, dass es zum Beispiel noch eine extra Treuhänderstelle gibt, die als dritte Instanz mitarbeiten müsste, um einen einzelnen Einzahler eines Systems aufzudecken. Aber prinzipiell ist es so, dass diese Coins anonym ausgeben werden. Das heißt, also wenn man fünf Euro hat als Kulturwertmark, dann bekommt man 500 von diesen Coins und kann die ausgeben. Und die sind genauso anonym wie normale Cent-Stücke, nur dass sie halt digital sind. Und erst wenn es halt zum Beispiel Missbrauch oder ähnliches gibt, kann man dann mit einem problemlos abzusichernden Verfahren zurückverfolgen, was der einzelne getan hat. Aber es ist halt so aufwändig, dass sich daraus kein Massentracking ableiten lässt.

Die digitalen Cent-Stücke: Wie stellen Sie sich das vor? Was bekommt ein Teilnehmer des Systems? Wie lange ist das gültig und was kann er damit machen?

Frank Rieger

Also die Idee ist, die digitalen Cent-Stücke, also einer der Vorschläge für den Namen war zum Beispiel Cultur-Coins. Vielleicht werden wir auch noch umstellen darauf. Weil es eigentlich das besser trifft, als irgendwie Kulturwertmark. Die haben ein Verfallsdatum und das heißt, das Verfallsdatum kann man sich aussuchen. keine Ahnung ob es jetzt ein Monat, drei Monate oder sechs Monate. Und am Ende dieses Verfallszeitraums werden die einfach verteilt auf alle, die schon einmal ausgegeben wurden. Das heißt also, wenn ein Künstler 200 Coins bekommen hat für seinen Song und am Ende des Zeitraums sind noch irgendwie zwei Millionen Coins über, dann bekommt proportional zu dem Anteil, den er ohnehin schon bekommen hat, die verfallenen Coins oben drauf geschlagen. Das heißt, es macht wenig sinn, die nicht auszugeben, weil sie dann am Ende sowieso verteilt werden. Eben entsprechend des Anteils der Künstler.Das war also ein Vorschlag den wir da hatten, einfach um sicherzustellen, dass es auch benutzt wird. Also das es einfach einen Incentive gibt, einfach tatsächlich zu verwenden. Und das Ausgeben soll so einfach wie möglich sein mit möglichst vielen technischen Mitteln und Wegen, auch auf der Straße im Zweifel auszugeben. Und dabei eben dem Künstler eben auch die Möglichkeit zu geben auch dafür zu werben und zu sagen, hier, wenn ihr meinen Song toll findet, dann klickt hier hin. Und dann hat man eben zwei Cent oder drei Cent transferiert. Wie das ausgeben funktioniert, das kan man sich im Zweifel aussuchen. Man kann es so machen wie bei Flattr, dass man sagt, wenn ich nur einmal hin klicke pro Monat, gehen die ganzen fünf Euro Monat an diesen Künstler. Wenn ich zwanzig mal klicke werden sie halt verteilt oder man macht es über explizite Beträge. Also da sind wir nicht dogmatisch. Es geht halt beides.

Constanze Kurz

Man muss auch mal sehen, es ist nicht festgefahren. Also wir sind natürlich schon länger in der Debatte über dieses Modell. Aber ich denke es wird auf jeden Fall auch noch mal eine Revision geben, dass wir auch die auftauchenden Probleme, an die wir vielleicht nicht gedacht haben, noch mal aufnehmen in unsere Fragen- und Antworten-Session. Also wir das schon gerne noch ein bisschen weiter ausführen. Aber am Ende soll dann ein praktikabler Vorschlag dabei herauskommen. Denn die Situation wie sie besteht, ist ungenügend für eine ganze Generation von jungen Filesharer, die sich mit Abmahnanwälten abmühen und aber auch eine stetig sinkende digitale Allmende, gegen die wir vorgehen wollen. Und ein Problem für die Archivierer. Und ich denke auch, dass sich die Politik sicherlich nicht verschließen wird diesem Modell. Denn am Ende ist es gerecht und fair. Und deshalb wollen wir es.

Die Kulturgüter und künstlerischen Werke sollen nach Ihren Vorstellungen nach einer Zeit X gemeinfrei werden. Wie soll das realisiert werden?

Frank Rieger

Also die prinzipielle Idee, dass Werke gemeinfrei werden, kann an zwei Schwellwerte gekoppelt werden. Der eine wäre zum Beispiel wenn eine bestimmte Menge Geld dafür bezahlt wurde von der Allgemeinheit. Dabei kann man sich wiederum mehrere Modelle ausdenken. Das eine wäre, dass es einen pauschalen Schwellwert gibt. Wenn zum Beispiel 20000 Euro für einen Song zusammengekommen sind. Oder irgendwelche halbwegs gerechten Werte, die man als Richtwerte ansetzt. Natürlich sollte der Künstler da durchaus noch einen Einfluss drauf haben. Und damit es aber nicht exorbitant ausufert und so benutzt wird, dass es halt niemals passiert. Also dass der Künstler sagt, nur wenn eine Million für diesen Song zusammen kommen, geht der in die Gemeinfreiheit. Sollte es eben noch eine zweite Schwelle geben, nämlich einen Zeitwert. Und diese Zeiten sollten halt schon auf mehrere Jahre natürlich ausgedehnt sein. So dass es eine gute Chance gibt, dass der Künstler zu seiner Belohnung kommt und auch nach dem es in die Allmende gegangen ist, geht es erstmal nur in der Allmende um nicht kommerzielle Nutzung. Das heißt also, der Künstler kann weiter Geld dafür bekommen. Auch innerhalb des Systems. Oder auch außerhalb des Systems. Er kann weiter die kommerziellen Rechte an einem Text verwerten oder an einem Song verwerten, kann immer noch Schallplatten pressen. Es ist nur halt parallel eben auch innerhalb des Systems dann sozusagen für nicht kommerzielle Nutzung verfügbar. Wie man diese Schwellwerte setzt, sowohl monetär als auch zeitlich, darüber kann man natürlich trefflich streiten. Klar ist aber, dass es das endgültige Ziel dabei sein sollte, dass es halt in einem realistischen Rahmen liegt. Das heißt, es sollte nicht 75 Jahre nach dem Tod sein, sondern halt so etwas wie sieben, acht, neun, zehn Jahre. Sodass die normale kommerzielle Verwertung von so einem Produkt durch ist und im Zweifel der Aufmerksamkeitzeit durch ist. Aber dann am Ende sichergestellt ist, dass der Allgemeinheit die digitale Version dieses Werkes zur Verfügung steht, ohne dass es da noch irgendwelche wenns und abers gibt

Constanze Kurz

Die kommerzielle Verwertung kann auch nach Ende oder nach Überschreiten des Schwellwertes weitergehen, aber die Wissenschaft, die Forschung, wir alle können nicht kommerziell, digital diese digitalen Werke dann benutzen. Das ist halt der Unterschied. Die kommerzielle Vermarktung kann natürlich weitergehen. Und natürlich kann man auch weitergehen und natürlich kann man auch weiterhin seine Kulturwertmark an solche Werke geben. Warum nicht.

Frank Rieger

Der Hintergrund ist, dass natürlich gerade in der Literatur zum Beispiel viele Werke erst nach vielen Jahren in der Zeit ankommen, also plötzlich, also jetzt quasi zum Beispiel Kafka. Wo ein Buch von Kafka im englischsprachigen Raum voll der Hit wird, viele Jahre nach seinem Tod. Und natürlich soll dem nicht entgegen stehen, dass so etwas passieren kann. Also deshalb muss man eben vorsehen, dass einfach Werke viele Jahre brauchen, bis halt da ankommen. Dann kann man weiterhin sein Geld dafür bekommen, kann man weiterhin die kommerzielle Verwertung dafür betreiben. Aber eben das Werk soll eben nach einer gewissen Zeit dann eben trotzdem für die Allgemeinheit verfügbar sein.

Constanze Kurz

Die Schutzfristen haben in den letzten hundert Jahren kontinuierlich zugenommen. Das gilt es abzubauen. Ich denke, das passt auch nicht mehr in die digitale Zeit. Die müssen drastisch verkürzt werden. Das ist Teil des Modells.

Wenn man sich beide Teilkonzepte einmal anschaut, dann stellt man fest: Der Teil der Vergütung folgt den gängigen kapitalistischen Konzepten. Hingegen die Verwertung bricht mit so ziemlich allen Konventionen. Vergleicht man nun geistiges Eigentum mit materiellem Eigentum, bemerkt man einen sehr drastischen Unterschied.

Frank Rieger

Man muss halt eben sehen, dass die Digitalisierung von Werken führt halt dazu, dass sich das gesamte Spiel geändert hat. Und man kann jetzt natürlich weiter versuchen darauf zu bestehen, dass alles ist wie früher und wir uns immer noch im Zeitalter von an physischen Medien gebundenen Werken bewegen. Das führt halt zu einer weitergehenden Erosion von allem, sowohl von Glauben an den Rechtsstaat als auch in der Beziehung von Lesern und Hörern und den Autoren. Ich meine, wie soll ich meinen Kindern erklären, dass sie wegen einem Song, den sie gut finden irgendwie sich jetzt strafbar gemacht haben. Das ist einfach de facto nicht mehr zu erklären und es gibt auch keinen ernsthaften Weg mehr, diesen Wertewandel halt zurück zu drehen. Und von daher, deshalb haben wir es auch einen Vorschlag zur Güte genannt, ist die Idee einfach zu sagen, es gibt den klaren Bedarf Künstler für ihr Werk und ihre Schöpfung zu belohnen, wenn es gut ist. Auf der anderen Seite ist es aber so, dass wir ganz dringend diese ganzen Konzepte, Schutzfristen, Urheberrechte, der Verfolgung dieser Urheberrechte ins digitale Zeitalter und den entsprechenden Realitäten anpassen müssen. Die Alternative ist einfach, dass es weiter geht wie bisher. Das heißt wir haben eine immer weiter gehende Eskalation des Verhältnisses zwischen Künstlern auf der einen Seite und meistens noch den Verwertern, die ja eigentlich die Treiber hinter diesen Verschärfungen sind und den Usern auf der anderen Seite. Und wie lange sich die User das noch gefallen lassen, ist halt eine große Frage. Also die Umsätze in einigen Branchen sind ja eben nicht rückläufig, wie immer behauptet wird. Das hat halt damit zu tun, dass Leute plötzlich anfangen zu sagen, ok man kann sich eben so ein mp3-File kopieren, aber es stört ja auch nicht weiter. Und der Vorschlag, den wir bringen, ist eben zu sagen, löst euch mal von dem alten Denken, macht den Sprung ins digitale Zeitalter, aber dafür, dass wir einen garantierten markt, also ein garantiertes Mindestvolumen bereitstellen innerhalb dieses Systems erwarten wir eine ganz klare Gegenleistung. Und die ist halt: Geht uns nicht weiter auf den Nerv!

Constanze Kurz

Ich glaube einfach nicht, dass man dieses strikte Regime aufrecht erhalten kann. Denn es passt nicht zum Wesen der digitalen Kultur. Und das ist ihre Kopierbarkeit. Und wenn irgend etwas als anachronistisch erkannt ist, muss man es abschaffen. Am Ende geht es doch den Verwertern, die hier den wesentlichen Druck auf die Urheberrechtsgesetzgebung ausüben, doch nur um ihre eigenen Pfründen. Es ging doch nie darum, was denn eigentlich die Künstler am Ende von dem Kuchen abkriegen. Wir wollen einen direkteren Draht wieder zwischen dem der die Kunst rezipiert und dem der sie schafft machen. Dass natürlich ein Teil der Verwerterindustrie dabei Umsatzeinbußen in Kauf nehmen muss, wird der Fall sein. Aber ich glaube, damit können wir alle ganz gut leben.

Zum dritten maßgeblichen Pfeiler des Konzepts. Die Organisationsform im Hintergrund. Wie soll das Konstrukt rund um die Kulturwertmark aufgebaut sein?

Constanze Kurz

Es soll eine Stiftung sein, die möglichst paritätisch besetzt ist aus den Rezipienten und denjenigen, die die Kunst machen. Und aus denen soll ein Exekutivgremium gebildet werden, dass sich auch Wahlen stellen soll in regelmäßigen Abständen, insbesondere dann, wenn ein signifikanter Anteil der Teilnehmer am System angewachsen ist. Und die sollen dann auch darüber bestimmen, wie die Kunstwertmark verteilt wird.

Frank Rieger

Also der ursprüngliche Vorschlag, den wir gemacht haben, war halt zu sagen, es gibt halt eine Stiftung, die vom Staat erst einmal initial ausgestattet werden sollte, um das System zu booten. Das ganze ist halt ein Diskussionsvorschlag. Wir sind da also in keiner Weise dogmatisch. Vielleicht ist es auch schlauer, das am Ende so auszulegen, dass es mehrere solche Gesellschaften geben kann und man sich als User aussucht, welche man benutzt. Also man zum Beispiel unterschiedlichen Auszahlungsquoten für die Künstler oder unterschiedlichen Payment-Modellen, die man ausgibt. Bringt natürlich für die Künstler die Schwierigkeit, dass man sich halt dann koordinieren muss zwischen mehreren solchen Stellen. Am Ende soll es aber auf jeden Fall ein zentrales Repository, also eine zentrale Speicherstelle für die digitale Allmende geben. Und da denken wir also, dass die Bibliotheken der richtige Ort sind, weil die kennen sich aus mit Langzeitarchivierung. Die stehen halt ohnehin vor der großen Aufgabe, sich mit der digitalen Archivierung, Archivierbarkeit von Werken zu beschäftigen. Und die da mit einzubinden und einfach dafür zu sorgen, dass einfach jedes Werk, das ins System kommt, archiviert wird und zur Verfügung gestellt wird, ist da dann ein ganz wesentlicher Teilaspekt. Wie dann am Ende die Struktur aussieht, die das Inkasso macht und das Geld an die Künstler verteilt, die sich um Missbrauchsmanagement kümmert, was natürlich auch ein großes Thema sein wird, ist vielleicht auch nicht entscheidend, so lange berücksichtigt wird, dass es sich eben nicht um Organisationen handelt, die nicht abhängig sind von den Verwertern, sondern die zwischen den Rezipienten und den Künstlern ausgemacht werden und in der keine der beiden Seiten eine übermächtige Machtposition beinhaltet.

Constanze Kurz

Wichtiger Aspekt ist dabei, dass sich diese Stiftung wirklich selbst tragen soll aus einem initialen Stiftungsvermögen und eben nicht ein Teil der Gelder für eigene Verwaltungf aufwenden soll. Das soll halt eine schlanke Stiftung sein und keine Riesen Behörde. Schon gar nicht vergleichbar mit der GEMA oder jetzt mit der GEZ verglichen wird. Auf keinen Fall. Sondern eben tatsächlich nur eine sehr kleine Organisation, die sich im Wesentlichen darum kümmert, wo am ende, wenn die die Schwellwerte erreicht sind und wenn die Werke tatsächlich in die digitale Allmende gehen, wo die gespeichert werden und wie die Gelder verteilt werden.

Schlank, schmal und nicht teuer – das sind ja die hehren Vorsätze, die bei der Gründung fast jeder Organisation stehen. Wenn man jetzt allerdings einmal den Verwaltungsaufwand versucht zu schätzen, dann sieht das schon nach einer großen Organisation aus.

Frank Rieger

Viel davon findet natürlich im digitalen Raum statt. Das heißt also, der allergrößte Teil der Prozesse, die man da hat, lässt sich schon einfach online und in Software und Algorithmen abbilden. Klar ist natürlich, es muss immer jemanden geben, den man im Zweifel anrufen kann, wenn etwas schief geht. Und es wird natürlich Streitigkeiten geben, die man halt lösen muss, zum Beispiel, wenn halt Werke, die eigentlich jemand anderem gehören, eingestellt werden oder doppelten Identitäten eingestellt werden. Konfliktmanagement wird natürlich ein Problem, wo man halt Leute beschäftigen muss. Man kann natürlich versuchen zu sagen, die Stiftung oder die Stiftungen nehmen fünf Prozent Courtage auf die durchgeleitete Kulturwertmark. Allerdings wollen wir, also wenn sich zum Beispiel rausstellt, dass halt eine Finanzierung aus dem Stiftungskapital und Zinsen nicht realistisch wäre, was ja durchaus sein kann, also wenn man sagt, die Organisation wird so groß, da müsste man jetzt eine Milliarde an Stiftungskapital tun, damit die funktionieren kann, dann wird es wahrscheinlich unrealistisch werden. Dann müsste man halt auf ein Modell umstellen um zu sagen, da werden halt n Prozent des durchgeleiteten Volumens für bereitgestellt oder genommen. Wir wollen aber eigentlich verhindern, dass es eben eine Situation gibt, wo es halt so einen Selbstbedienungskreislauf gibt. Das heißt also, dass diese Stiftungen halt immer weiter wachsen aus eigener Behäbigkeit und eigenem Vermögen. Deswegen eben ja genau diese Aufteilung zusagen, die eigentlichen Beschlüsse und die Exekutivorgane dieser Stiftung oder dieser Stiftungen müssen halt von den Leuten die es halt benutzen gewählt und gestellt werden und eben nicht aus eben so Rundfunkrat-artigen Zusammensetzungen von den angeblichen Repräsentanten dieser Gesellschaft

Constanze Kurz

Wir haben Vorschlag gemacht, wie wir uns ein sinnvolles Urheberrecht und dabei auch die Beziehung zwischen den Künstlern und Rezipienten in Zukunft vorstellen. Die Verwaltung könnte sich auch durchaus anlehnen an Strukturen, die wir haben. Die müssten natürlich nur angepasst werden. Ich glaub auch, dass der teil wer am Ende in diesen Stiftungen entscheidet, durchaus an die Gremien, die wir haben, angepasst werden kann, wenn die demokratisiert werden. Vor allem aber, wenn die rechte der Verwerter zurücktreten müssen gegenüber den Rechten der Rezipienten und der Künstler. Also das erscheint uns wichtiger als der Name oder die zentralistische Struktur, sondern einfach nur die Handhabbarkeit und die Sinnhaftigkeit gegenüber demjenigen, die es was angeht, nämlich den Rezipienten und den Künstler.

Schaue ich mir die drei Säulen nach einmal an … Insgesamt gesehen scheint der Vorschlag bei weitem nicht so revolutionär und radikal zu sein, wie erwartet.

Frank Rieger

Wir haben absichtlich versucht es so zu machen, dass es durchaus nicht unrealistisch ist es umzusetzen. Das heißt also, die Radikalität liegt ja eben genau in dieser digitalen Allmende und der Verwendung digitalem Micro-Payment. Also Vorschlägen, die halt sehr doll aus der digitalen Zeit kommen. Was die Umsetzung und die Strukturen ins Leben zu bringen angeht, haben wir halt versucht einen Vorschlag zu wählen, den einfach mal auch Abgeordnete verstehen können. Also natürlich könnte man jetzt hingehen und sagen, wir machen es jetzt als komplett Crowd-basiertes System, was irgendwie in einer Cloud lebt. Nur fürchte ich, dass dann die Chancen auf eine Umsetzung noch sehr viel geringer wäre, als sie momentan sind. Und es wurde uns natürlich auch verschiedentlich aus der Community vorgeworfen, dass der Vorschlag nicht radikal genug ist und man ja eigentlich nur lang genug warten müsste, bis das System von sich aus zusammenbricht. Nur erinnert das so ein bisschen an die These der notwendigen Verschaffung des Klassenkampfes, die man so aus den Endzeiten der realsozialistischen Gesellschaften gesehen hat. Aber in so fern enthält der Vorschlag natürlich konservative Elemente, die aber eben eigentlich nur dazu dienen, die Kontroverse und die Diskussion eben auf die wichtigen Punkte zu lenken. Nämlich halt wie Bezahlmodell und die digitale Allmende. Und die Entschärfung der Urheberrechtsproblematik. und ob man jetzt eine radikalere Umsetzung wählt, das wird sich dann immer noch zeigen. Es ist halt ein Diskussionsvorschlag und wir werden den auch noch erweitern und ergänzen und dann wollen wir mal gucken.

Zum Schluss noch ein Wort zum Namen. Der wird ja im Netz schon stark diskutiert. Woher stammt der Name der neuen Kultur-Währung? Was wollen Sie damit ausdrücken? Und wird er sich noch ändern?

Frank Rieger

Die Namensdiskussion begleitet eigentlich dieses ganze Projekt seit 2009 und wir haben nie einen Namen gefunden, der uns alle so richtig vom Hocker gerissen hat. Deswegen haben dann halt den konservativst klingenden und am wenigsten Hippness-belasteten Namen gewählt, der so in der Vorschlagsliste war. Wir werden vermutlich den Namen ändern in der nächsten Revision. Also eine gute Chance hat so etwas wie Culture Coins oder Crowd Culture Coins. Die sind relativ weit oben.

Constanze Kurz

Auch Huldigungsgulden, den fanden wir natürlich auch schön. Also ich glaube, den kulturwert auszudrücken, halte ich gar nicht für verkehrt. Aber wir hängen nicht sehr an dem Namen, sondern wir hängen an dem Konzept. Und wenn man dafür einen hipperen Namen finden würde, das wäre ja nicht verkehrt. Andererseits, man solte vielleicht nicht immer nur an die Netz-Community denken und die englischen Namensschöpfungen, die ja so üblich sind, sondern auch mal eine breitere Gesellschaft. Es geht darum, den Kultuirwert eines Werkes zu markieren. So verkehrt ist der Name also nicht. Aber wir hängen nicht dran und werden in der Revision einen neueren Namen dafür finden.

Vielen Dank für das Gespräch.

2 Gedanken zu “Die Kulturwertmark – erklärt durch den Chaos Computer Club

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